Warum braucht Stuttgart die Hauptstätterstraße?
18. April 2017 von H. Wittmann
„Bis vor kurzem wollte niemand dieses vielfach aufgegriffene und wieder fallengelassene Thema aufgreifen,“ steht auf der Website > www.aufbruch-stuttgart.com (aufgerufen am 16.4.2017). Das ist nicht richtig. In der Satzung des neuen Vereins heißt es in §3 Abs. 2: „Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch die Entwicklung und Beförderung von Ideen und Konzepten in gemeinsamem bürgerschaftlichem Engagement mit dem Ziel, Kunst und Kultur im Erscheinungsbild der Stadt besser zu verankern und dadurch ihre Strahlkraft nach innen und außen zu erhöhen. Dies soll beispielsweise dadurch geschehen, dass die trennende Wirkung der Verkehrsschneise Konrad-Adenauer-Straße überwunden, dadurch ein attraktives Kulturviertel geschaffen und im Rahmen der Sanierung des Opernhauses die Perspektive für die Errichtung eines Konzerthauses befördert wird. …“
Auch wenn hier nur „beispielsweise“ steht, bezieht sich der Vereinszweck nur auf den Rückbau der Konrad-Adenauer-Straße oder wäre es nicht endlich an der Zeit die zuweilen 20- spurige Stadtautobahnschneise einschließlich der Hauptstätterstraße vollständig zurückzubauen? Doch der Reihe nach:
Jörg Nauke berichtete in Ihrer Zeitung über die „City-Verschönerung mit weniger Autos“ (SZ, 22. März 2017). Am besten hat er die in dieser Stadt vorherrschende Ratlosigkeit und fehlende Phantasie angesichts der täglich über die Hauptstätter Straße und vor dem Hauptbahnhof meist nur vorbeischleichenden Autokolonnen dokumentiert, ohne auf die Stadt und ihre Bewohner einzugehen; immer nur die Autos, als wenn die Bürgerinnen und Bürger darin keine Räume mit Aufenthaltsqualität bräuchten. Immerhin, eine Zeichnung des Architekten Roland Ostertags illustriert, wie die Schillerstraße vor dem Hauptbahnhof neu gestaltet werden könnte. Ostertag hat schon 2006 zusammen mit Gunter Kölz eine Studie unter dem Namen „Der Stadtboden gehört allen“, vorgelegt, die mit vielen Plänen den damals bereits lange überfälligen Rückbau der Stadtautobahn vorgeschlagen, ja angemahnt hat. Wer das Modell der Stadt Stuttgart in seinem Büro am Gäkopf 3 genau angesehen hat, weiß das der von ihm erdachte Umbau der Schnellstraße dort schon seit zehn Jahren realisiert ist.
Erstellt von Professor R. Ostertag und Professor G. Kölz 2002, überarbeitet 2007 und 2017.
Es geht beiden nicht darum, wie Jörg Nauke, den Verkehr auf der B14 zwischen Bad Cannstatt und dem Marienplatz um 30 % zu reduzieren, ein solches Ansinnen würde nur zu städtebaulich unsinnigen Maßnahmen führen, Ostertag wollte viel Grundsätzliches und so darf er interpretiert werden, er wollte die verkehrliche Saugwirkung des die Stadtteile trennenden Bollwerks Hauptstätter Straße beseitigen. 20 Spuren sind zu viel, man kommt von einem Stadtteil in den anderen nur durch Hin- und Herfahren und U-Turns, da haben wir schon die 30 %, die Nauke einsparen will. Statt direkt sich zum Ziel zu begeben, am besten zu Fuß oder mit dem Fahrrad oder einer Tram, bevorzugen viele Stuttgarter das Auto, auch wenn sie nicht gerade zu ihrem Ziel kommen, sondern nur auf Umwegen, weil die Hauptstätter Straße ihnen im Weg ist und weil es sie gibt, so verrückt ist die Straßensituation in Stuttgart. Wieder haben wir vielleicht 20 %, die die Schnellstraße nur nutzen, weil sie da ist. Das tun diejenigen, die diese Bahn in ihrer ganzen Länge durchfahren, auch wenn sie außen herum reisen könnten. Also dürfen wir nochmal 20 % addieren. Und schon bleiben nur noch 30 %, die diese Straße aber nicht als Schnellschneise wirklich echt brauchen. Und wenn die sich wirklich vom Marienplatz bis nach Bad Cannstatt bewegen wollen, schenken wir Ihnen doch eine feine Tram, die auf dieser Strecke alle 8 Minuten fährt. Viele Spuren ziehen viele Autos an. Verschwinden die Spuren, fahren die Autos woanders oder gar nicht mehr, wenn der ÖPNV verlockend gestaltet wird. Welche eine Lust wäre es, wenn auf dem neuen Boulevard die Radler jeden Tag Fahrfreude durch Stuttgart hätten.
Auf unserem Blog:
> Eine Vision für Stuttgart: Von der PS-Meile zum lebendigen Kulturviertel – 28.1.2017
> Der Rückbau der Hauptstätter Straße – 16. Dezember 2016
Der Verein Aufbruch Stuttgart hat interessante Ideen, aber er sollte sich am besten in Ostertags Büro um das Stuttgarter Modell herum gründen, wenn dessen Mitglieder dazu noch Ostertags Denkschrift in der Hand halten würden. In jeder wissenschaftlichen Arbeit muss man die Quellen nennen oder zumindest anmerken, wer schon einmal zum Thema der Arbeit oder des Vorhabens Wichtiges gesagt hat.