Ein neues Museum für die Bürger
Eine Lehrschau für die Stadtplaner
4. Juli 2009 von H. Wittmann
Im > Gähkopf 3 in Stuttgart in den ehemaligen Räumen der Sammlung Hugo Borst hat Professor Roland Ostertag heute die Ausstellung zur Entwicklung der Stuttgarter Innenstadt, die der Stadtplaner Gunter Kölz und er konzipiert und zusammengestellt haben, eröffnet.
Die Ausstellung, die mit vielen Fotos und Grafiken die historischen Aspekte der Stuttgarter Stadtplanung und -entwicklung dokumentiert, zeigt gerade weil sie nur zwei Räume umfasst, umso deutlicher den zentralen Aspekt auf, der jede Stadtplanung mehr oder weniger begleitet: es ist die Geschichte, die Historie der Stadt, die auf ihr Grundgesetz einwirkt, es formuliert und zu dem u. a. die Bewahrung der Hänge, die Öffnung der Stadt zum Neckar gehören.
> Roland Ostertag gestorben. Einmischer aus Verantwortung Von Amber Sayah, Stuttgarter Nachrichten 14. Mai 2018 Amberr Sayah hat einen beeindruckende Nachruf verfasst und regt en Nachdenken über die Zukunft seiner Ausstellung an: „Jeder, der mit ihm zu tun hatte, wurde über kurz oder lang in die baugeschichtliche Stuttgart-Ausstellung beordert, die der Architekt am Gähkopf in der ehemaligen Privatgalerie des Kunstsammlers Hugo Borst eingerichtet hatte. Dieses beeindruckende Archiv mit seinen historischen Stadtplänen und -ansichten, mit dem riesigen Stadtmodell und seiner Bibliothek zu bewahren und für Forschung und Öffentlichkeit weiterhin zugänglich zu machen, sollte der Stadt ein Anliegen sein.“
Im Kern ist es aber die Geschichte, deren Nichtbeachtung mit vielen Projekten neuzeitlicher und aktueller Stadtplanungsprojekten in Stuttgart belegt werden kann: „Stuttgart ist geschichtslos und deshalb gesichtslos,“ wird Ostertag nicht müde zu wiederholen. Das Modell deckt die historischen Schichten der Stadtentwicklung und zeigt auch die Wunden, die der Krieg der Stadt zugefügt hat, wie auch die zweite Zerstörung, so Ostertag, nämlich der Wiederaufbau bleibende Schäden hinterlassen hat, die dringend einer Neugestaltung bedürfen.
In diesem Sinne ist auch das 30 Quadratmeter große Modell, das die Stadt in einem Maßstab von 1:1000 zeigt, eine wunderbare Mahnung an die Stadtplaner, ihre Projekte mit der Geschichte der Stadt in Einklang zu bringen. Alles ist naturgetreu, bis auf die > Hauptstätter Straße, deren Rekonstruktion in diesem Modell vorweggenommen wird. So als wenn das Modell im Jahr 2016 entstanden wär:
Zu diesem Thema gibt es folgende Beiträge auf diesem Blog:
> Vorrang für die Autos auf 10 Spuren
> Stadtreparatur: Die Hauptstätter Straße in Stuttgart
> Die Neue Stadtplanung
Stuttgart hat keine Planungskultur, das ist der Hauptvorwurf, den Ostertag an alle Verantwortlichen richtet. Der Blick auf das Modell zeigt, wie alle Bereiche der Stadtplanung, der Raum, der Verkehr und das Soziale auf das Engste miteinander verbunden ist und nur in einer Gesamtbetrachtung verstanden werden kann.
Jedes Viertel oder Stadtquartier hat immer wie ein Gebäude auch Bezüge zu seiner unmittelbaren Umgebung, es spricht mehr oder weniger offen zu seinen Nachbarn. Und diese Quartiere sind durch Verkehrswege miteinander verbunden oder durch sie durchschnitten. Solche Einzelheiten kann man mit Hilfe dieses Modells wunderbar studieren: Würde man auf dieses Modell den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof einschließlich der Zerstörung des Schlossgartens einbauen, damit er auf Knopfdruck erscheinen könnten, würde noch mehr verstehen, wie seine Querausrichtung um Talkessel das fundamentale Grundgesetz der Stadt missachtet und beschädigt.
Das Modell ist auch bestens dazu geeignet, Alternativen der Verkehrsplanung zu erläutern und zu verstehen. Das Foyer des Rathauses wäre als Heimat für das Modell, das als Verständnishilfe für die Stuttgarter Stadtplaner dienen könnte, schon ein guter Platz.