François Hollande: Zum Stuttgarter Bahnhof gab es eine Volksbefragung…
14. Juni 2016 von H. Wittmann
„Gare aux référendums qui cachent svt d’autres intentions.“ Tweet vom 14.2.2016
= „Vorsicht bei Volksbefragungen, die oft die Intentionen ihrer Initiatoren verstecken.“
Aus gutem Grund wollen wir diesen Artikel vom 14.2.2016 nochmal ganz nach oben holen und aktualisieren.
> S-21-Gegner sehen Chance auf Umstieg lautet die Überschrift von Konstantin Schwarz am 13. Juni 2016 auf der Website der Stuttgarter Zeitung, ein Artikel in dem Verkehrsminister Hermann mit der Aussage „Seit dem Volksentscheid 2011 sei jede Landesregierung in der Pflicht, das Projekt zu begleiten und zu befördern. Das Land werde aber nicht zusätzlich zahlen, so Hermann,“ zitiert wird. Pflicht? Eine Pflicht ist aus dem Ergebnis des Volksentscheids nicht herzuleiten, dafür gibt es keine stichhaltige Begründung. So lautete die Frage am 27. November 2011: „Stimmen Sie der Gesetzesvorlage ‚Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21‘ (S21-Kündigungsgesetz) zu?“ Quelle: > www.lpb-bw.de/volksabstimmung_wie_abstimmen.html. Diejenigen, die mit „Nein“ stimmten, setzten folglich hier ihr Kreuzchen: „Mit Nein stimmen Sie gegen die Verpflichtung der Landesregierung, Kündigungsrechte zur Auflösung der vertraglichen Vereinbarungen mit Finanzierungspflichten des Landes bezüglich des Bahnprojekts Stuttgart 21 auszuüben.“ Quelle: > www.lpb-bw.de/volksabstimmung_wie_abstimmen.html. – Wieviele Bürger wohl nicht genau hingeguckt haben, und als Gegner mit NEIN stimmten? – Schwammig und ungenau ist das, denn es ist äußerst fragwürdig, ob eine Befürwortung des Ausstiegsgesetzes durch die Wähler das Tun und Treiben des Bauherrn, nämlich der Bahn, überhaupt hätte stoppen können. Dem Wähler wurde vielleicht nur vorgegaukelt, er könne entscheiden… Und das Endergebnis sagt, die Landesregierung sei nicht verpflichtet auszusteigen, ihr wird das aber auch nicht verboten…? Aus diesem Wirrwarr tauchten die Befürworter mit einer Baupflicht auf.
Die Abstimmung war so kompliziert angelegt, dass die Initiatoren die Antwort JA und NEIN auf dem Stimmzettel für erläuterungsbedürftig gehalten haben. Hätten sie dort klarstellen lassen wie folgt: „Mit Nein stimmen Sie gegen die Verpflichtung der Landesregierung, Kündigungsrechte zur Auflösung der vertraglichen Vereinbarungen mit Finanzierungspflichten des Landes bezüglich des Bahnprojekts Stuttgart 21 auszuüben, und Sie stimmen folglich für die Verpflichtung S21 zu bauen,“ oder so ähnlich, dann hätte man auch gleich den Wähler fragen können, ob er wünscht, dass S21 für 4,8 Mrd. EUR gebaut wird, oder wollen Sie, dass S21 gebaut werde, auch wenn die veranschlagten Baukosten von 4,8 Mrd. EUR überschritten werde?“ Eine positive Antwort auf diese Frage hätte alle Unklarheiten beseitigt. Stattdessen ließ man den Wähler lediglich über die Annahme des Gesetzes über den Ausstieg aus der Finanzierung entscheiden.
Viel wichtiger ist aber die Beantwortung der Frage, was die Grünen in Baden-Württemberg getrieben hat, ihre negative Beurteilung von S21 von einst zu vergessen und heute den Bau von S21 zu befürworten: > vgl dazu die Haltung der Grünen von 2011, so wie sie von Landeszentrale für politische Bildung in Erinnerung gerufen wird: > Parteien im Landtag und Stuttgart 21: „Die Grünen lehnen das Bahnprojekt Stuttgart 21 als einzige Landtagspartei ab und wollen mithilfe des Volksentscheids den Ausstieg aus dem Projekt schaffen. Die Grünen halten das Projekt für verkehrspolitisch fragwürdig und viel zu teuer. Es schade dem Bahnverkehr im ganzen Land, da S21 Finanzmittel binde. Die Kostenberechnungen der Deutschen Bahn von 4,1 Milliarden Euro halten sie für unrealistisch. Die Grünen rechnen mit mindestens 4,9 Milliarden Euro Baukosten, die wegen der Baukostenrisiken auf bis zu 6,9 Milliarden Euro steigen könnten.“ War das Referendum ein taktischer Fehler der Grünen?
Hintergrund: > www.lpb-bw.de/volksabstimmung_stuttgart21.html
Und in seinem Kommentar > Schlusspunkt schreibt Christian Milankovic am 14. Juni 2016 in der Stuttgarter Zeitung: „Das Argument der Gegner, damals sei nur über eine finanzielle Beteiligung des Landes, nicht aber über das Projekt in Gänze abgestimmt worden, ist formal richtig – und verfängt doch nicht.“ Auch er trägt dazu bei, das Ergebnis der Volksabstimmung über das Ausstiegsgesetz, das keine qualitative Beurteilung des neuen tiefergelegten Haltepunkts enthielt, zu einer Wähler-Aufforderung zum Bau umzudeuten. Man darf mit des Volkes Willen aber nicht spielen. Man vermied es, das Volk direkt fragen, ob es S21 einschließlich der Kostensteigerungen gut fände oder nicht… Das Volk entschied sich gegen das Ausstiegsgesetz, weil es den Versprechungen, es werde zu dem festgesetzten Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt geliefert, Glauben schenkte. Alle Unwägbarkeiten wurden ganz klein geredet, und das Nein zum Ausstiegsgesetz wurde von den Befürwortern von S21 sehr schnell als Pflicht zum Weiterbauen verkauft. Aber die Frage des Volksentscheid lautete nun einmal nicht, ob gebaut werden solle, auch wenn die Kosten deutlich über 6 Mrd. steigen und die Fertigstellung möglicherweise später als 2021 eintritt und die Baugenehmigungen noch nicht alle vorliegen?“
jetzt geht es mit dem Artikel vom 14.2.2016 hier weiter:
es habe wohl Schwierigkeiten gegeben, sprich Gegner, und nun werde gebaut, berichtet Präsident Hollande in einem Fernsehgespräch am 12.2.2016, 5.21: Min.
Interview du président François Hollande aux… von elysee
Es geht um einen geplanten Großflughafen > Notre-Dame-des-Landes – L’EXPRESS. Es gibt viele Gegner und viele Befürworter. Baubeginn soll eigentlich im Herbst sein. Also schlägt der Präsident eine lokale Volksbefragung vor und erinnert dabei an S21, da habe es auch Schwierigkeiten gegeben, also habe man eine Volksabstimmung durchgeführt, und nun werde gebaut. Und genau da liegt das Problem. Über die Grenzen Schwabens hinaus, wird die Abstimmung vom 27. November 2011 so verstanden und so zitiert, als wenn es sich um eine Abstimmung um die Qualitäten und besonderen Vorteile von S21 gehandelt hätte. Auch Hollande sieht das so, man habe abgestimmt, und nun werde gebaut.
Fürs Protokoll: Das mit der Volksabstimmung war aber etwas anders: Es wurde am 27. November 2011 eine > Volksabstimmung zu Stuttgart 21 durchgeführt, so dass die Abstimmung hinterher wirklich wie eine Zustimmung zu S21 aussehen konnte. Das sieht Präsident Hollande ja nun auch so. Die Qualitäten und die Vorteile von S21 standen dabei nie zur Diskussion: 57 Tunnelkilometer gegen die wegfallenden Gleise, die auf den HBf zulaufen – die nun möglicherweise wegen Bedarf zumindest teilweise ? erhalten bleiben könnten. Die Frage an die Wähler lautete, ob sie ein Gesetz, das das Land zum Ausstieg aus der Finanzierung von S21 und damit zum Ende von S21 führen würde, unterstützen. 48,3 % der Wahlberechtigten nahmen an der Abstimmung teil. 58,9 Prozent stimmten gegen das Gesetz und damit gegen den Ausstieg des Landes aus der Projektfinanzierung. Bei der verwirrenden Abstimmungsfrage haben bestimmt einige mit NEIN gestimmt, die S21 nicht mögen. Man darf nicht vergessen, dass die Projektverantwortlichen vorher alle heiligen Eide mit Nachdruck schworen, die Kosten würden 4.87 Milliarden Euro nicht übersteigen. Gutgläubig haben die Wähler den Abbruch von S21 verhindert.
Volksbefragungen sind nie ganz unproblematisch, weil die Politiker, die sie organisieren, immer versucht sind, Vorteile für ihre Pläne aus einer Befragung zu ziehen, entweder spielen sie mit der Formulierung der Fragestellung oder sie nutzen die Ergebnisse, um ihre eigene Machtposition zu stärken. Es gibt gute Gründe, weshalb das Grundgesetz die Volksbefragung so stark einschränkt. Das kann man in einem kurzen Tweet an die Adresse von Präsident Hollande so ausdrücken.
@fhollande #DirectPR et les réactions via Twitter > https://t.co/xgTGJfN0AB … Gare aux référendums qui cachent svt d'autres intentions.
— Frankreich-Blog (@FranceBlogInfo) February 13, 2016